Es war eigentlich purer Zufall, dass ich zu meiner grünen Mobylette kam: Ein Fahrradhändler in meiner Nähe schloss seinen Laden und mit ihm auch die angrenzende Garage. Diese war glücklicherweise nicht nur mit Fahrrädern gefüllt, es befanden sich auch vereinzelt Mofas darunter. Da alles verkauft werden sollte und zudem der Preis für das Mofa, welches mir am besten gefiel, stimmte, durfte ich die Mobylette gleich mitnehmen.
Leider hatte das Mofa laut Vorbesitzer Probleme mit der Zündung, weshalb der Motor nicht laufen würde.
Zum damaligen Zeitpunkt rümpelte ich gerade mein Zimmer aus, wo bei mir die Idee hochkam, mir ein Mofa als Dekoration ins Zimmer zu stellen. Die Mobylette lief sowieso nicht, sah optisch gut aus und bot sich deshalb perfekt für das Vorhaben an. So kam es, dass das Mofa jahrelang an der Empore in meinem Zimmer hing...
So schön diese ungewohnte Zimmerdekoration auch war - Nach ein paar Jahren bekam ich dann doch Lust, das Mofa auf die Straße zu bringen. Also wurde es wieder abgehangen und begutachtet:
Durch die Tatsache, dass ich die Motorteile (allen voran natürlich Zylinder und Kolben) vor dem Abstellen mit Öl entsprechend konserviert und auch alle paar Wochen/Monate kurz in die Pedale getreten habe um die Festsetzung des Kolbens zu verhindern, entstanden glücklicherweise keine Standschäden am Motor. Trotzdem blieb da ja noch die Aussage des Verkäufers bezüglich der defekten Zündung...
Diese konnte durch den Tausch der Zündspule allerdings problemlos wieder in Gang gesetzt werden.
Nachdem das Mofa nun technisch funktionstüchtig war, stellte sich die Frage, in wie weit auch optisch noch Hand angelegt werden sollte. Zuerst entschied ich mich dazu, das Mofa einfach in seinem Zustand zu belassen. Komplett. So wie es damals vom Vorbesitzer abgestellt wurde.
Zur Abwechslung zu den Restaurationen und Neuaufbauten gab es also mal ein Mofa, welches zunächst "ungeschönt" in seinem Originalzustand belassen wurde und eine Menge Spaß machte!
Einige Jahre später bekam ich dann doch Lust auf ein neues Mofa - Projekt.
Da sich die Mobylette so gut wie komplett im Originalzustand befand und damit eine extrem gute Basis für ein Projekt bildete, ging es im Frühling 2023 los:
Das Mofa sollte technisch komplett überholt, gleichzeitig jedoch vom Lack, Fahrwerk usw. in seinem Originalzustand belassen werden.
Der erste Schritt bestand logischerweise darin, das Mofa komplett zu zerlegen. Glücklicherweise stellte sich heraus, dass sich der Motor in einem sehr guten Zustand befand, sodass etliche Teile nach entsprechender Aufbereitung wiederverwendet werden konnten (z.B. der Zylindersatz).
Außerdem bestätigte sich beim Zerlegen der Ersteindruck: Zwar hatte der Lack hier und da einige Macken, allerdings war der Zustand bei weitem nicht so schlecht, dass eine Neulackierung fällig wurde - im Gegenteil, irgendwie gefiel mir die Patina an dem Mofa sogar sehr gut.
Deshalb fiel ein weiterer Entschluss: Da nicht neu lackiert werden sollte, ich aber dennoch eine fortschreitende Verschlechterung des Zustands durch neuen und/oder fortschreitenden Rost verhindern wollte, wurde der Rahmen komplett mit Owatrol versiegelt.
Dabei handelt es sich um ein Naturöl, welches auf Metall und Holz angewendet werden kann und das das Material vor Rostbildung schützt. Eine ideale Möglichkeit also, um Patina ohne Risiko zu erhalten.
Da der originale Sattel zwar größtenteils noch in gutem Zustand war, jedoch auf der Unterseite einen größeren Riss aufwies, entschied ich mich für eine weitere Besonderheit bei meinem Mobylette - Projekt: Anstelle des originalen Sattels sollte eine Sitzbank verbaut werden. Von Motobécane selbst gab es früher Sitzbänke im Zubehör, allerdings gefielen mir diese von ihrer Form nicht wirklich gut. Auch gängige Universalsitzbänke, die für Mofas und Mopeds auf dem Zubehörmarkt angeboten werden, passten meiner Meinung nach nicht wirklich gut zum Mofa. Deshalb begab ich mich auf die Suche nach Alternativen.
Fündig wurde ich einige Zeit später auf eBay - Kleinanzeigen bei einer Sitzbank, die mich sofort begeisterte: Es handelt sich um eine Bank, die ausschließlich auf US-Exporten diverser niederländischer Mopeds verbaut wurde (z.B. Sparta Foxi). Ein US-Exclusive sozusagen.
Die Sitzbank bringt nahezu perfekte Maße für die Montage an der Mobylette mit, außerdem gefallen mir Form und Stil deutlich besser als bei den bereits erwähnten Universalsitzbänken.
Durch großes Glück hatte ich die Möglichkeit, hier noch an ein neues Teil aus altem Lagerbestand zu kommen, das sich in hervorragendem Zustand befand.
Mit der Entscheidung für die Sitzbank ergaben sich zwei weitere "Baustellen" für das Projekt:
1) Die Bank musste auf die Montage über das Sattelrohr umgebaut werden, um an der Mobylette verbaut werden zu können.
2) Auf der Rückseite befindet sich der "Flying Dutchman" - Schriftzug. Auch wenn mir dieser extrem gut gefiel, passte er natürlich nicht wirklich zu einem französischen Mofa. Deshalb tüftelte ich an mehreren Möglichkeiten, das Problem zu umgehen, ohne die Sitzbank selbst (bzw. deren Schriftzug) bearbeiten zu müssen, da es sich dabei um ein seltenes Originalteil handelte.
Die Sitzbank auf die Montage über ein Sattelrohr umzubauen, stellte kein größeres Problem dar. Von einem alten, unbrauchbaren Sattel wurde das Sattelrohr verwendet und über einen selbst angefertigten Halter mit der Sitzbank verbunden.
Eine größere Herausforderung bestand darin, das "Problem" mit dem unpassenden Schriftzug an der Rückseite der Sitzbank zu lösen. Da ich keine Originalteile beschädigen wollte, entschied ich mich dazu, ein Edelstahlschild gravieren zu lassen und dieses so anzupassen, dass es den Schriftzug überdeckte.
Anschließend wurde ein Halter aus Rundmaterial angefertigt, um das Schild in Position zu halten. Dieser wird an der originalen Gepäckträgerhalterung befestigt und hat keinen Kontakt zur Sitzbank o.Ä., um potenziellen Schäden - beispielsweise am Bezug - durch Reibung vorzubeugen.
Nachdem die Sitzbank angepasst wurde, fanden immer mehr Anbauteile ihren Weg an das Mofa.
Obwohl die vorhandene Patina weitestgehend belassen wurde, war es mir wichtig, die Mobylette technisch komplett zu überholen.
Deshalb wurden viele Originalteile wieder aufgearbeitet.
Die Dichtung des Tachos war aufgrund des Alters nur noch teilweise vorhanden, ebenso befand sich das Tachoglas in einem schlechten Zustand. Glücklicherweise konnte ich hier Ersatz auftreiben und den Tacho somit überholen.
Der originale Lenker wies unter den Griffgummis leider Durchrostungen auf und war nicht mehr zu retten. Hier griff ich auf einen Lenker mit ähnlicher Form zurück, den ich noch in der Garage liegen hatte.
Die Magura - Armaturen konnte ich zum Glück wieder aufbereiten und wieder verbauen.
Parallel zu den Arbeiten am Rahmen ging es natürlich auch an´s Zerlegen des Motors.
Dabei gab es sowohl positive als auch negative Überraschungen: Leider stellte sich schnell heraus, dass sich die originale Kurbelwelle nicht mehr wirklich in gutem Zustand befand. Auch die Kupplung hatte durch die lange Standzeit gelitten und ordentlich Rost angesetzt. Bei beiden Teilen musste Ersatz her.
Positiv war, dass sich der Zylindersatz noch in einem hervorragenden Zustand befand. Die auf dem Tacho angegebene Laufleistung von gerade einmal 6000 km erschien deshalb durchaus realistisch. Sicherheitshalber wurden Zylinder und Kolben noch in einem Fachbetrieb vermessen, bevor sie dann - nach ordentlicher Reinigung - wieder verbaut wurden.
Ansonsten wurde der Motor auf "klassische Art" überholt: Es gab neue SKF C3 - Kurbelwellenlager und natürlich neue Dichtungen.
Anstelle der unbrauchbaren Originalkurbelwelle wurde eine verstärkte Doppler - Kurbelwelle verbaut, da ich mit diesen in der Vergangenheit bereits sehr gute Erfahrungen machen konnte.
Außerdem bekam der Motor anstelle der Fliehkraftkupplung einen Wandler spendiert.
Nachdem zum Abschluss die Elektrik und neue Bowdenzüge verlegt wurden, war es am 10.06.2023 soweit: Das Mobylette - Projekt konnte abgeschlossen werden!
Auch dieses Projekt bereitete mir mal wieder eine Menge Spaß. Das ursprüngliche Ziel des Projekts, das Mofa vor allem technisch zu überholen und optisch aufzubereiten, konnte auf jeden Fall erreicht werden.
Herausforderungen stellten vor allem die Arbeiten an der Sitzbank dar, sowie die Tatsache, dass es sich um mein erstes Projekt an einer Mobylette handelte und ich folglich viele Informationen, insbesondere zum Motor, erst zusammentragen musste.
Sehr interessant war vor allem, die Unterschiede im Vergleich zu den vermeintlich recht ähnlichen Peugeot - Modellen näher kennenzulernen.
Auf jeden Fall freue ich mich sehr darüber, ein weiteres Mofa wieder auf die Straße bringen zu können und die ein oder andere Ausfahrt damit zu unternehmen!